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Johanna Berglein

Wie kann ich mein Kind bei medizinischen Eingriffen unterstützen?

Soll ich mit rein gehen oder draußen warten? Hinterher belohnen oder vorher ablenken?


Mit Hand in Hand Methoden können wir die Ängste unserer Kinder aktiv begleiten. Es ist hilfreich, dem Kind Zeit zu geben sich innerlich vorzubereiten und die Gefühle wahrzunehmen, die der Gedanke des Arztbesuchs hervorbringt. Im sicheren Zuhause können Eltern emotional gut begleiten.


Meine Tochter ist 4 Jahre alt und muss derzeit 7 Impfungen bekommen, weil dies für den Vorschulbesuch hier in New York zwingend vorgeschrieben ist. Natürlich ist diese Situation nicht vergleichbar mit Kindern mit chronischen Erkrankungen aber ich kann die Methoden am Beispiel gut erklären. Ich hatte jede zweite Woche eine Impfung vorgesehen und bei den ersten 4 Terminen ging alles gut. Vor dem 5. Termin zeigte sie verstärkt Ängste. Sie sagte immer wieder, dass sie nicht zum Arzt wolle und keine Spritze bekommen möchte. Ich vermied zu argumentieren wieso, weshalb, warum es notwendig ist und sparte mir auch jegliche Beschwichtigungen derart, dass es ja nur kurz sei und gleich vorbei wäre etc. Stattdessen konzentrierte ich mich darauf, Ihre Ängste willkommen zu heissen und ihr Nähe und Geborgenheit anzubieten. Ich zog sie auf meinen Schoß und legte meine Arme um sie. Sie legte Ihren Kopf auf meine Schulter und weinte und sagte immer wieder, dass sie nicht zum Arzt gehen möchte. Ich erwiderte nichts, sondern gab Ihr nur Verständnis und Zuneigung. Sie weinte ein paar Minuten bis Ihr etwas anderes einfiel und sie wieder spielen ging. Dieses Szenario spielte sich mehrfach in den Tagen vor dem Termin ab. Ich versuchte, sie nicht von Ihren Gefühlen abzulenken, sondern einfach nur da zu sein und Ihren Gefühlen Raum zu geben. Diese Methode heisst Stay Listening; während das Kind schmerzhafte Gefühle zeigt, bietet der Erwachsene Sicherheit, Nähe und Verständnis.


Wenige Stunden vor dem Termin wurde sie gereizter, wütend über dies und jenes und stritt sich mit Ihrer Schwester. Ich verstand diese Gefühlsausbrüche als Teil des Ausdrucks Ihrer Angst vor dem Termin und setzte Grenzen im Sinne von Hand in Hand mit Präsenz und Liebe. “Nein, mein Schatz du kannst Deiner Schwester nicht verbieten hier zu spielen.” sagte ich freundlich während ich mich zwischen beide Kinder schob und vermied, dass sie Ihre kleine Schwester weggeschubst. Grenzen setzen im Sinne von Hand in Hand ergibt sich aus der Perspektive, dass das Kind emotional instabil ist und daher Schwierigkeiten hat, sich sozial angepasst zu verhalten. Der Erwachsene setzt die Grenzen mit Präsenz und Ruhe und ist darauf vorbereitet, die schwierigen Gefühle mit Stay Listening zu begleiten. Ich zog sie mir sanft auf den Schoß, sie fokussierte Ihre Wut dann auf mich und strampelte und schrie in Empörung über was auch immer gerade die Schieflage war. Ich sagte nichts, hörte nur zu und stellte sicher, dass niemand zu Schaden kam, während sie auf meinem Schoß saß und Ihrer Wut und der darunter liegenden Angst Ausdruck verlieh. Kein Argumentieren, kein wieso, weshalb, warum. Nur: “Nein, Mein Schatz, das geht leider nicht. Ich bin fuer Dich da.”


Wenn wir dem Kind Raum geben, seine Ängste vor der Situation auszudrücken und diese Gefühle unterstützend und mit Ruhe zulassen, dann geht das Kind mit weniger aufgestauter Angst in den Termin hinein. Wenn wir im Vorfeld viel beschwichtigen und ablenken, dann bekommt das Kind vermittelt, dass der Ausdruck seiner Angst nicht erwünscht ist und diese Gefühle nicht sein sollten. Das Kind wird dann versuchen, diese Ängste zu unterdrücken, kann aber vor der Angst letztendlich nicht davon laufen und diese Gefühle stauen sich innerlich auf und überschwemmen das Kind dann in der Situation. Wenn wir unserem Kind zeigen, dass diese Angst berechtigt ist und ausgedrückt werden darf, dass es in Ordnung ist Angst zu haben, und dass wir als Eltern da sind um unser Kind zu begleiten, dann muss das Kind mit seiner Angst nicht alleine sein und wir können etwas tun. Wir müssen selbst nicht mehr hilflos zusehen wie unser Kind leidet und können schon im Vorfeld im geschützten Rahmen die Ängste bearbeiten.


Für uns selbst ist es sehr schwer auszuhalten, unsere Kinder leiden zu sehen und die damit verbundenen Ängste unserer Kinder zuzulassen und zu begleiten. Listening Partnerships / gegenseitiges zugewandtes Zuhören kann hier fuer Eltern sehr hilfreich sein. Eltern verdienen einen geschützten Raum in dem sie Ihren eigenen Schmerz verarbeiten können und verständnisvoll unterstützt werden.


Als wir nun im Behandlungszimmer saßen und “ewig” auf den Arzt warten mussten, saß sie auf meinem Schoß und umklammerte mich. Hier sprach ich Ihre Angst auch wieder direkt an und zeigte Verständnis dafür, dass dies eine schlimme Situation ist. Ich machte einen kleinen Witz darüber, dass es ja ewig dauert und bekam ein kleines Lächeln von Ihr. Hier brachte ich nun auch den Ausblick auf einen Pizzariabesuch nach dem Termin auf, der nicht an ein bestimmtes Verhalten Ihrerseits geknüpfte wurde, sondern einfach nur einen positiven Ausblick auf bessere Zeiten darstellen sollte. Während der Impfung hatte sie zwar Angst, ließ die Spritze aber über sich ergehen genau wie zuvor.


In den folgenden Tagen hatten wir viele Arztspiele in unserem Haus. Viele Pflaster wurden von Ihr auf alle Kuscheltiere verklebt und sie sprach allen gut zu. Wenn ich als Patient an der Reihe war, hatte ich besonders viel Angst und rannte davon, woraufhin sie lachend hinter mir her kam und lieb darauf bestand, dass es aber sein müsste. Ich achtete darauf, dass sie meine Aktionen im Spiel amüsant fand. Diese Methode heisst Play Listening und kann helfen Ängste spielerisch abzubauen wenn der Erwachsene die hilflose Rolle einnimmt und das Kind der Mächtige ist. Wichtig ist, dass das Kind dabei Spaß hat. Der Erwachsene muss daher immer beobachten, ob das Kind das Verhalten des Erwachsenen amüsant findet oder sogar lacht, dann machen wir es richtig.


Für Kinder, die noch ganz andere medizinische Prozeduren erleiden müssen, kann es sicher etwas dauern bis wir grosse Fortschritte erlangen, da so viele Ängste aufgearbeitet werden müssen. Aber ich glaube, dass kleine Verbesserungen relativ schnell sichtbar werden. Auch die Methode Special Time / Wunschzeit, über die ich ebenfalls einen Artikel geschrieben habe und die Ihr auch auf dieser Webseite unter "Methode" kennenlernen könnt, ist sehr wichtig in diesem Prozess.


Ich würde mich freuen von Euch zu hören wenn Ihr diese Methoden probiert und gerne weitere Unterstützung anbieten. Mir als Mutter geben diese Methoden Sicherheit und Gelassenheit, da ich mich selbst nicht hilflos fühle wenn mein Kind Ängste hat die ich Ihm nicht ersparen kann.






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